Last updated on 22. Juni 2022
von Thoralf Tews
Meine Generation wurde auf Pump erzogen. Der Lebensstil mit dem wir groß geworden sind, wird nicht gedeckt durch das was die Erde hergibt oder verkraften kann.
Wir machen Schulden bei der Erde.
Obwohl der Begriff ‘Klimawandel’ seit Kindheitstagen um uns herumschwirrt, ist der größere Teile derjenigen, die zwischen 1990 und 2000 geboren wurden, mit Gewohnheiten und Träumen aufgewachsen, welche nicht mit einer gesunden Zukunft der Welt vereinbar sind. Jung genug, für potenzielle Negativfolgen; alt genug um diese zu verschulden. Zu alt, um von jetzt auf gleich anders zu leben; zu jung um die Klimakrise zu ignorieren.
Die Pole schmelzen. Scheiße.
So einiges läuft falsch. Aber kurzgesagt: Der Erde werden zu viele Ressourcen genommen und gleichzeitig zu viele Emissionen zugemutet. Ergo: Das Klima verändert sich. Der Trend zeigt eine Erderwärmung, welche Dürren verursacht und durch das Schmelzen der Eisvorkommen, den Meeresspiegel steigen lässt (neben gehäuften Naturkatastrophen und noch unbekannten Folgen). Beides bewirkt, dass Menschen früher oder später ihre Lebensgrundlage verlieren, weil die Nahrungsversorgung durch die Landwirtschaft leidet oder Wohnorte überschwemmt werden.
Während deutsche Bauern noch über zusätzliche Beregnung den Schaden verringern, dehnen sich Wüsten weltweit aus. Selbst wenn die europäische Landwirtschaft den widrigen Umstände lange trotzen könnten, der globale Hunger und daraus entstehende Kriege werden potenziert. Wem sogar das egal ist, muss sich nur die Flüchtlingskrise 2015 vor Augen führen — die Streitgespräche mit Freunden und Familie, die Belastungsprobe der Politik — und bemerkt, dass die Auswirkungen der Erderwärmung früher oder später auf einen selbst zurückkommen, in Form von Klimaflüchtlingen.
Ein nachhaltiger Lebenswandel muss her. Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass die Bedürfnisse der heutigen Menschen, die jüngeren und kommenden Generationen nicht gefährden dürfen.
Aber wen betrifft das eigentlich?
Wird die Erderwärmung nicht begrenzt (auf 1,5 Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit), werden unsere Eltern wenig von den Auswirkungen mitbekommen, vielleicht gar nichts. Das katastrophale ist: Wir können das nicht genau abschätzen. Die Wissenschaft ist mit ihrem Verständnis noch am Anfang. Wir allerdings werden Negativfolgen spüren. Die Jüngeren sogar noch intensiver, da potenziell länger. Diese drei Gruppen unterscheiden sich stark. Die älteren Generationen sind weniger empfänglich für Klimaschutz. Müssen sie auch gar nicht sein. Entweder, weil sie keine Klimakatastrophe erleben werden oder falls doch, sie zu eingefahren sind, um zu verstehen, dass das eigene Leben einen Einfluss darauf hat und hatte.
Die jüngeren Generationen sind in einer anderen Position: Sie werden den Rattenschwanz der globalen Erwärmung zu spüren bekommen — sollte ihr Engagement dagegen nicht erfolgreich sein. Im Gegensatz zu den Alten, haben sie einen ganz anderen Bezug zu Klimaschutz. Von Klamotten über Kleidung, Ernährung bis Reisen: Nachhaltigkeit wurde ihnen schon früh in der Erziehung vermittelt, durch Eltern oder die Gesellschaft. Da verwundert es nicht, dass es Schülerinnen und Schüler waren, die Fridays for Future groß gemacht haben. So groß und einflussreich, dass aktuelle politische Entwicklungen zur Emissionseinsparung — der European Green Deal, das deutsche Klimaschutzgesetz, der Ausstieg aus der Kohle — zu einem beachtlichen Teil ihr Verdienst sind. Überhaupt waren sie es, die das Thema Umwelt wieder in die Medien gebracht haben. Mit diesem Selbstbewusstsein fällt das Einrichten eines umweltverträglichen Lebens weniger schwer.
Und wir? Wir sind irgendwo dazwischen. Das macht es nicht leicht.
Meine Generation ist gerade in der Ausbildung, im Studium oder noch nicht allzu lange im Beruf. Wenn man so die Gespräche belauscht, dann gibt es ein Bewusstsein dafür, dass Klimaschutz sinnvoll ist. Manche leugnen das noch, andere weisen die Verantwortung von sich. Die Mehrheit aber ist zu dem Schluss gekommen, dass sie einen Einfluss auf die Umwelt und das Klima hat.
Also einfach die Emissionen senken — oder doch nicht so einfach?
Obwohl das Verständnis für Klimaschutz da ist, sind wir doch mehrheitlich mit Angewohnheiten großgeworden, die das Gegenteil davon sind: Täglich Fleisch essen, weit mit dem Auto pendeln, Dinge aus der ganzen Welt kaufen. Diesen Lebensstil zu ändern, klappt so semi-gut. Und das merke ich selber. Gerade verbessert sich mein ökologischer Fußabdruck. Da ich weniger Fleisch als noch vor 10 Jahren esse, lange nicht geflogen bin, kein Auto habe und seit Jahren das gleiche Handy, fühle ich mich ganz gut. An manchen Punkten wird der nachhaltige Wandel einem ja auch leicht gemacht. Das Schweineschnitzel, kann ich 1:1 pflanzlich ersetzen, um Emissionen einzusparen (leider wird auch Geschmack eingespart). An anderen Punkten wird es schwerer, ein nachhaltiges Leben einzurichten. Wenn ich auf die Aufzählung von eben schaue, muss ich ehrlich zugeben, dass mich nicht die Umwelt von Auto und Flieger fern hält, sondern mein Geldbeutel.
Genau hier, sehe ich auch meinen Konflikt. Seit Jahren investiere ich in ein Studium, von dem ich mir versprochen habe, Dinge leisten zu können wie Auto, Flugreise, Klamotten, Hausbau. Und jetzt plötzlich wird alles problematisch bevor ich es überhaupt haben konnte?
Kein Wandel ist einfach.
Wenn ich Emissionen vermeiden will, kann ich für den Urlaub vom Flugzeug in die Bahn wechseln. Bleiben meine Urlaubstage aber so viele wie heute, will ich dann einen größeren Teil davon mit der An- und Abreise verbringen? Will ich später den Benziner für das E-Auto eintauschen, auch wenn ich damit nach ein paar hundert Kilometern aufgrund fehlender Ladesäulen liegen bleibe? Will ich europäische Fairtrade-Klamotten kaufen, auch wenn andere günstiger und schöner sind? Ein Fairphone statt des I-Phones? Es wird schwer.
Und doch ist es sinnvoll.
Ich schreibe diesen Text, weil ich glaube, dass sich auch andere in der gleichen Situation befinden. Und auch für diejenigen, die sich schon vermeintlich klimaneutral eingerichtet haben und nun den erhobenen Zeigefinger auf alle “Klimasünder” richten. Solche Anfeindungen lösen nur Trotzreaktionen aus. Wir sollten uns gegenseitig unterstützen bei jedem Schritt in Richtung Nachhaltigkeit — ohne uns gegenseitig das gute Leben komplett abzusprechen. Diese Schritte fallen jedem unterschiedlich schwer. Zusammen aber, mit Unterstützung der Politik und der Zusage anderer Staaten, können wir den Earth Overshoot Day — also der Tag, ab dem mehr Treibhausgase produziert wurden, als die Erde verkraftet — nach hinten schieben. Dieses Jahr wird er auf den 22. August fallen. Wenn die ganze Welt auf Deutschlands Standard leben würde, übrigens schon auf den 5. Mai. Gemeinsam können wir die Klimakrise bewältigen, damit niemand mehr Schulden bei der Erde macht.
Quellen:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/klima-der-gefaehrliche-dominoeffekt-der-klimakipppunktea- 9064b00f-f558-4f93-8a6c-9d9a1978b6dd
https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/greenpeace_wuestenbildung_0.pdf
https://www.spiegel.de/wissenschaft/klima-glossar-pariser-klimaabkommen-bahnbrechende-uebereinkunft-fuerden- klimaschutz-a-6cbcd9e1-f5df-4a09-90fe-4a2ee3c3cb07
https://utopia.de/ratgeber/earth-overshoot-day/
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