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Ach was,
Klima hat jetzt also auch noch ein Gender?

Last updated on 22. Juni 2022

von Hannah Springer

Vor ein paar Tagen war es wieder so weit und für einen Tag wurde Instagram und Co. mit motivierenden und empowernden Sprüchen nur so geflutet. Der 08.März, offiziell der Internationale Weltfrauentag*, hat dafür gesorgt, dass Unternehmen wie h&m aufrufen doch endlich Frauen gleich zu behandeln und dabei kurz vergessen, dass die Bezahlung ihrer eigenen Näher*innen weit davon entfernt ist.

Ups – das kann ja schon mal passieren, bei den ganzen Kampagnen, die sich an diesem Tag Frauenpower auf die Fahnen schreiben

An diesem Tag wohlgemerkt, denn so ein symbolischer Tag
lädt leicht dazu ein, dieses Thema auch bei diesem einen zu belassen. Feministische Kämpfe lösen sich
aber leider nicht an jedem 08.März von allein auf und obwohl wieder auf zahlreichen Demoschildern
„smash the patriarchy“ stand, bin ich auch am 09.März wieder zu Kommentaren von Trollen auf
Instagram aufgewacht, die behaupten Feminismus sei eh nur ein Problem von ungef*ckten Frauen, die
Drama schieben würden. Hach, großartig. Also alles wie immer. Ich war am 8.März auch auf der Straße.
Zwar nicht mit einem Schild auf dem „smash the patriarchy“ stand, aber unter einem Banner mit der
Aufschrift: „Keine Klimagerechtigkeit ohne Feminismus“.

Selbst das Klima muss gegendert werden

Ja, auch am 08.März darf das Spielverderberinnen-Thema Nummer 1, das Klima, natürlich nicht fehlen. Denn auch die Klimakrise ist eng mit feministischen Kämpfen verknüpft. Ich kann verstehen, dass das auf den ersten Blick nicht nahe liegt. Schließlich wird beim Thema Klima meist über das Einsparen von Emissionen geredet oder die überall präsenten 1,5 Grad des Pariser Klimaabkommens betont. Die Perspektiven von FLINTA-Personen tauchen weniger auf und genau das ist eigentlich
schon das Problem. Denn obwohl die Einstiegsfrage in diesen Artikel bewusst locker gewählt ist
(übrigens ein Kommentar, der mir letztens mit einem spöttischen Lachen entgegengebracht wurde), ist
diese ziemlich nüchtern und alarmierend zu beantworten.
Warum beide Themen untrennbar miteinander verbunden sind, wird klar, wenn wir uns die Folgen des
Klimawandels deutlich machen. Die Klimakrise ist eine Krise der globalen Gerechtigkeit. Während vor
allem der Globale Norden, also Europa oder Amerika, Verursacher sind, leiden Menschen im Globalen
Süden an den Folgen. Diese Folgen braucht man sich schon seit längerem nicht mehr nur vorzustellen.
Unsere global vernetzte Welt liefert sie uns regelmäßig als Nachrichten über Flutkatastrophen, Dürren,
Waldbrände oder der Berichterstattung über Klimaflüchtlinge direkt in unsere Realität. Es sterben
Menschen, weil wir nicht nur über unseren Verhältnissen leben, sondern auch, weil unsere Politik zu
wenig tut, um dies strukturell zu verändern.
Die Klimakrise reproduziert diese Strukturen der sozialen Ungerechtigkeit. Schon bestehende
Ungleichheiten werden verstärkt. Das führt dazu, dass es vor allem Frauen bzw. FLINTA*-Personen
sind, die unter den Folgen des Klimawandels leiden. Diese sind von Strukturen der sozialen
Ungerechtigkeit vermehrt betroffen. Es sind zum Beispiel meist mehr Frauen, die in Folge von
Klimakatastrophen sterben. In Folge des Tsunamis in Südostasien 2004 waren es sogar vier Mal so
viele. Die Informationen bzw. Warnungen kommen später bei Ihnen an und sie sind es, die sich auf der
Flucht auch noch um Kinder und Ältere kümmern müssen. Zudem waren es Frauen, die in den
Wassermassen nicht überlebten, weil sie nicht schwimmen konnten und es sind Mädchen, die bei
Geldnöten, die durch Ernteausfälle nach Dürren und Hitze entstehen, als erstes aus der Schule
genommen werden. Sie werden Zuhause gebraucht bzw. ist nicht mehr das notwendige Geld
vorhanden, um die Kosten für die Schule zu bezahlen. Damit verwehren die Folgen des Klimawandels

Mädchen den Zugang zu Bildung. Doch es hört nicht bei diesen Aspekten auf. In Folge von
Naturkatastrophen nimmt die körperliche und sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen zu und in zum
Beispiel der Landwirtschaft im Globalen Süden, die durch Dürren und Hitzewellen besonders stark
leidet, arbeiten zum größten Teil Frauen.
Schon allein beim Blick auf die Folgen der Klimakrise wird deutlich: Ja, die Klimakrise scheint ein
Geschlecht zu haben, zumindest eines, welches unter ihr verstärkt leidet. Tatsächlich ist die
feministische Perspektive in der Klimakrise aber vielschichtiger.

Frauen tragen weniger Anteil an der Klimakrise

Auch die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen geht soweit, dies ganz klar zu formulieren.
Tatsächlich lässt sich diese Aussage global gesehen auch nicht bestreiten. Frauen tragen wegen der
vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen weniger zur Klimakrise bei. Sie befinden sich in
benachteiligten Strukturen und haben dementsprechend weniger Zugang zu den besonders
klimaschädlichen Faktoren, wie zum Beispiel Autos. Das bedeutet nicht, dass Frauen bzw. FLINTA– Personen per se klimafreundlicher sind, aber, dass sie durch die strukturelle Benachteiligung weniger zur Krise beitragen. Neben den reinen Ursachen sind Frauen bzw. FLINTA-Personen aber auch nicht gleichberechtigt an
dem Diskurs über Klimamaßnahmen und mögliche Lösungen beteiligt. Wir können nicht ernsthaft über
die Zukunft von allen folgenden Generationen diskutieren, wenn wir dabei die Hälfte der Menschheit
nicht gleichberechtigt einbeziehen. Schließlich sind es unter anderem die immer noch
vorherrschenden patriarchalen Strukturen in Politik und Führungsetagen, die heute Klimapolitik so
unfassbar langsam und an manchen Stellen schlicht nicht existent machen. Diese Strukturen sind es
auch, unter denen sich der Klimawandel überhaupt erst zu dieser Krise entwickelt hat. Über Lösungen
zu diskutieren, ohne dabei alle Perspektiven einzubeziehen, ist also schlicht keine Lösung für das
Problem. Es braucht feministische Perspektiven, um zum Beispiel die unterschiedliche Betroffenheit
durch die Folgen, in klimapolitische Maßnahmen einzubeziehen. Sonst kommt es dazu, dass in Europa
Grenzwerte für Emissionen festgelegt werden, die dann im Endeffekt dadurch einzuhalten sind, weil
auf Kosten von Menschen im Globalen Süden Rohstoffe abgebaut werden. Das mag zwar unsere
Klimabilanz in Europa verbessern, ist aber keine Lösung für ein globales Problem.
Es ist sicherlich eine Herausforderung alle Perspektiven mitzudenken, aber erstens gibt es dazu keine
Alternative und zweitens liegt genau darin auch eine Chance.

Eine feministische Klimagerechtigkeitsbewegung als Chance

Halten wir fest: Wir müssen die Klimakrise feministisch denken! Die Klimakrise macht wie kaum eine
andere Krise die globale Verbundenheit von sozialen Krisen deutlich. Eine Antwort auf die Klimakrise
muss deshalb nicht nur feministisch sein, sondern auch explizit antirassistisch und in dem ständigen
Streben soziale Ungerechtigkeiten abzubauen. Zudem muss sie wirtschaftliche Abhängigkeiten
kritisieren und den Kapitalismus hinterfragen. Ganz schön viel, was sich in dieser Antwort so verbergen
muss, aber eben auch die Chance, die globalen Zusammenhänge aufzudecken und anzugehen. Dann
kann diese Krise, neben all dem Frust über die aktuelle Politik, auch eine Chance sein. Eine Chance
genau diese Themen anzupacken und nachhaltig zu verändern. Eine Chance sich einzumischen und in
der Klimadebatte denen eine Stimme zu geben, die unter den Folgen am meisten leiden: FLINTA*-
Personen und andere marginalisierte Gruppen.

Ich habe trotz all dem Weltschmerz, der sich manchmal bei mir in der Magengegend breit macht, noch
die Hoffnung, dass wir diese Antworten finden. Doch dafür braucht es Menschen, die diese einfordern.
Wie wir diese einfordern, kann unterschiedlich sein, wichtig ist nur, dass wir es tun. Wie beteiligst du
dich?

Fußnote: *In diesem Artikel ist von Frauen ohne Sternchen die Rede, da sich die Statistiken, die den
Behauptungen des Artikels zu Grunde liegen, auf ein binäres Geschlechtersystem beziehen. Das heißt,
dass diese nur nach dem biologischen Geschlecht in Mann und Frau unterscheiden. Um aber
anzuerkennen, dass es mehrere Genderidentitäten gibt und auch deren strukturelle Benachteiligung
sichtbar zu machen, spreche ich von FLINTA-Personen. FLINTA ist die Abkürzung für Frauen, Lesben,
Inter, Nonbinary, Trans und A-Gender.

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